Drohende Zwangszuweisung von Atomschutt auf die Deponie Balzersen in Harrislee
Schleswig-holsteinischer Landtag unterstützt Zwangsmaßnahmen für die Deponierung von AKW-Abriss-Abfällen
Mitten in der Corona-Krise hat der Landtag auf Initiative der regierenden Koalition aus CDU, Grünen und FDP Anfang Mai 2020 den Beschluss gefasst, freigemessene Abfälle aus dem AKW-Abriss der schleswig-holsteinischen Atomanlagen auch gegen den Willen von Kommunen und Deponie-Betreibern behördlich zuzuweisen.
Mit diesem Beschluss aus dem Landtag ist jetzt offiziell besiegelt, dass das Umweltministerium Zwangszuweisungen plant. Ob dieses Vorgehen einer rechtlichen Prüfung standhält ist allerdings unklar und wird sich vermutlich erst erweisen, wenn betroffene Deponiebetreiber die Anweisungen anfechten.
Die Deponie Balzersen in Harrislee gehört zu den Deponien in Schleswig-Holstein, die ab jetzt mit einer Zuweisung freigemessener AKW-Abriss-Abfällen rechnen müssen. Es ist wahrscheinlich, dass bereits in Kürze erste Lieferungen aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel erfolgen sollen.
Nur ein Teil des AKW-Schutts ist kontaminiert. Bei der Debatte um die Abfälle, die unter anderem auf der Deponie Harrislee landen sollen, geht es jedoch insbesondere um die sogenannte „spezifische Freigabe“ von Material, das durch die Kernspaltung erzeugte radioaktive Stoffe enthält. Diese Abfälle weisen so hohe Konzentrationen auf, dass sie nicht in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden dürfen. Konventionelle Deponien können die radioaktiven Stoffe nicht langfristig zurückhalten; sie gelangen somit unweigerlich in die Umwelt. Auch beim Transport und bei der Einlagerung von Atomschutt ist das Risiko, dass gesundheitsschädigende radioaktive Partikel freigesetzt werden hoch.
Grundsätzlich widerspricht die "Freigabe" von radioaktivem Material aus dem Atomrecht dem Minimierungsgebot des Strahlenschutzes.
Das Minimierungsgebot schreibt vor, dass die Strahlenbelastung für die Bevölkerung auch unterhalb von Grenzwerten so niedrig wie möglich gehalten werden muss und jede vermeidbare zusätzliche Belastung zu unterlassen ist. Entsprechend hat sich auch der Deutsche Ärztetag 2017 in einem Beschluss gegen die Freigabe von schwach radioaktiven Abfällen nach dem 10-Mikrosievert-Prinzip gestellt. Der Umweltverband BUND lehnt die „Entsorgung“ von Atomschutt auf Deponien und in Müllverbrennungsanlagen sowie das Recycling kontaminierter Abfälle ebenfalls ab. Der BUND Hessen klagt im Zusammenhang mit der Freimessproblematik gegen das Rückbau-Konzept für das Atomkraftwerk Biblis.
Das „Freimessen“ von radioaktiv belastetem Material dient einzig der Einsparung von Entsorgungskosten. Die Bevölkerung bezahlt dies mit ihrer Gesundheit. Das Volumen des schwach- und mittelradioaktiven Atommülls wird reduziert, indem radioaktive Stoffe in der Umwelt verteilt, verdünnt und vermischt werden. Dies widerspricht den Prinzipien des Vorsorgeschutzes und ist unverantwortlich auch gegenüber nachkommenden Generationen, die mit einer stetig zunehmenden Strahlenbelastung leben müssen.
Dass dieses von der Atomindustrie ausgeklügelte kostenschonende „Entsorgungskonzept“ jetzt von einem grün geführten Umweltministerium gegen den Willen von Gemeinden und Deponiebetreibern in Form von Zuweisungen durchgeboxt werden soll, ist eine politische Bankrotterklärung. Das MELUND hat sich für eine vermeintlich bequeme Lösung entschieden, indem es vorhandene Alternativen zur Freigabe von Atomschutt verworfen und eine Beteiligung der Betroffenen abgelehnt hat.
BAESH.de wird sich weiterhin gegen die Freigabe der radioaktiven Abfälle einsetzen und etwaigen Zuweisungen mit Protest begegnen. Gleichzeitig solidarisieren wir uns mit allen betroffenen Standorten innerhalb Schleswig-Holsteins und darüber hinaus. Eine Verbringung des Atomschutts außerhalb Schleswig-Holsteins lehnen wir ebenfalls grundsätzlich ab. Radioaktive Stoffe müssen sicher für Mensch und Umwelt abgeschirmt und kontrolliert gelagert werden. Die Lagerung auf konventionellen Deponien, die Verbrennung und das Recycling von radioaktiven Abfällen stehen dazu grundsätzlich im Widerspruch.
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